02.03.2015
Alternative Heilmethoden
Scharlatane oder Zauberer?
Geht es dem Pferd nicht gut, ist der besorgte Besitzer zu fast allem bereit, um dem geliebten Vierbeiner zu helfen. Doch was hilft wirklich und was ist schlichtweg Geldschneiderei? Und wie lässt sich der echte Experte von dem selbsternannten unterscheiden? Wir haben unsere Leser nach ihren Erfahrungen gefragt und kamen zu erstaunlichen Ergebnissen.
Bis heute schüttelt Astrid Berghoff den Kopf, wenn sie an den Besuch des mutmaßlichen Osteopathen bei ihrem Pferd denkt. „Eigentlich wollte ich Poldi nur etwas Gutes tun, einen wirklichen Anlass gab es für die Behandlung nicht, außer, dass er beim Reiten etwas länger brauchte, um sich zu lösen.“ Den Tipp, ihren Wallach einmal „richten zu lassen“ erhielt sie im Internet. „Dort wurde geschwärmt von diesem Experten“, erinnert sie sich. Als er schließlich vor ihr und ihrem Pferd stand, tat er nicht viel mehr, als Poldi einmal im Stand abzutasten. „Er sprach von einem traurigen Blick, verspannter Muskulatur und Gelenkblockaden im ganzen Körper“, berichtet die Besitzerin. „Dann sagte er, es wäre besser, Poldi als Beistellpferd abzugeben, als ihn weiter mit Reiten zu quälen.“ Die Besitzerin war am Boden zerstört und konnte kaum glauben, was sie da hörte. „Selbst als ich ihm versicherte, dass mein Pferd gerne mitarbeitet und sich in der Vergangenheit schon deutlich weniger willig reiten ließ, winkte er ab.“ Nicht einmal an der Longe wollte der mutmaßliche Experte das Pferd laufen sehen. Wohl aber bestand er darauf, 150 Euro kassieren – in bar, versteht sich. „Ich war so perplex, dass ich zahlte und ihn fahren ließ“, ärgert sich Berghoff heute.
Experten, die keine sind
Vor lauter Sorge ließ sie ein paar Tage später ihren Haustierarzt kommen. War Poldi wirklich so krank wie behauptet? „Er fand heraus, dass die rechte Schulter ein wenig schmerzhaft war.“ Nach zwei Wochen Massagen und Entzündungshemmer war der Wallach wieder topfit. „Hätte ich dem Scharlatan geglaubt, wäre Poldi heute nicht mehr bei mir“, sagt die Besitzerin. „Ich frage mich, warum solche Leute überhaupt praktizieren dürfen und auch noch weiterempfohlen werden.“ Nach genauerer Recherche fand sie heraus, dass der Mann auf seiner Internetseite eine Ausbildung angegeben hatte, die es gar nicht gab.
Poldis Fall zeigt: Gerade bei mutmaßlichen Experten, die im Internet gefunden werden und wunderliche Heilkünste anpreisen, lohnt sich ein genauer Blick hinter die Kulissen. Oft können Möchtegern-Experten schon über ihre Ausbildungswege enttarnt werden. Noch bedenklicher ist es, wenn darüber gar nichts auf der Homepage zu finden ist. „Ich vertraue nur noch auf Experten, die mir von Freunden und Bekannten empfohlen werden und bei ihren Pferde gute Arbeit geleistet haben“, lautet das Fazit der betrogenen Pferdebesitzerin.
„Ich vertraue nur noch auf Empfehlungen“
Ähnlich erging es Melanie Schmidt, als sie beschloss, ihr Rentnerpferd mit Blutegeln behandeln zu lassen. „Mein Wallach hatte Gallen an allen Beinen und ich hatte gelesen, dass Blutegel helfen würden.“ Ebenfalls im Internet stieß sie auf eine Heilpraktikerin, die auch die Therapie mit Blutegeln anpries. „Die Dame kam in den Stall, setzte an alle Beine drei Egel und verschwand wieder“, blickt Schmidt zurück. Sollten sie nicht beißen, könnte sie die Beine anritzen, dann würde es besser gehen, war der einzige Tipp, den sie mit auf den Weg bekam. „Das traute ich mir nicht zu“, schüttelt sie mit dem Kopf. Am Ende begann einer der zwölf Egel zu saugen, alle anderen wanderten ziellos übers Pferdebein. „Ich bat eine Miteinstellerin, mir zu helfen die Tiere zu entfernen.“ Für die misslungene Therapie schickte die Heilpraktikerin eine saftige Rechnung – 80 Euro plus zwei Euro Anfahrt je Kilometer. „Ich weigerte mich, zu zahlen“, berichtet die Pferdebesitzerin. Am Ende wurde ihr die Hälfte der Rechnung erlassen mit der Begründung, sie könne es ja noch einmal probieren mit den Egeln.
Das bedeutet allerdings nicht, dass generell von Therapien mit Blutegeln abgeraten werden sollte – im Gegenteil. So kann Julia Gremm nur Positives von der Behandlung ihres Ponys berichten: „Mein Pony hatte ein abgekapseltes Hämatom, dass der Körper selbst nicht mehr abbauen konnte. Wir hätten es punktieren und mit Cortison behandeln lassen können. Ich war für Egel. Nach drei Behandlungen war nichts mehr zu sehen“, zeigt sich die Visselhövederin begeistert. ....
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Fotos und Autor: Andrea Zachrau
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